Zweisprachig im Spektrum

Zweisprachigkeit und Autismus

Unverhofft kommt oft: Tipps und Tricks von anderen bilingualen Familien

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Der kleine Prinz scheint mit der erhöhten Abwesenheit seiner Mama überraschend gut zurechtzukommen – Gott sei Dank! Hoffentlich trifft das auch auf die beiden kommenden Wochenenden zu, die ich in einem Dolmetschseminar des Österreichischen Verbandes der Gerichtsdolmetscher verbringen werde, und zwar jeweils Samstag und Sonntag, den ganzen Tag! Ich habe sogar das Gefühl, dass die vielen Trennungen für mich schwieriger sind als für ihn ;-). Vielleicht aber auch nur, weil er immer vor vollendete Tatsachen gestellt wird …

Vergangenen Samstag habe ich bereits das erste von drei Seminaren absolviert und überrascht festgestellt, dass lediglich ich und eine andere Kollegin aus dem translationswisschenschaftlichen Bereich kommen – sämtliche anderen Teilnehmer sind Muttersprachler in ihrer Arbeitssprache, leben schon eine gewisse Zeit in Österreich und möchten sich gerichtlich vereidigen lassen. Viele von ihnen arbeiten sogar bereits für diverse österreichische Behörden als Dolmetscher und Übersetzer; sie haben im Bereich Dolmetschen also viel mehr Praxis als ich.

Da das Seminar einen ganzen Tag gedauert hat, gab es auch einige Pausen und ein gemeinsames Mittagessen, im Rahmen dessen ich mich sehr intensiv mit den anderen Seminarteilnehmern unterhalten konnte. Wie man sich bereits denken kann, gibt es in diesem Personenkreis Unmengen an Erfahrungswerten in der bilingualen Erziehung.

Eine Kollegin kommt zum Beispiel aus Polen und ist mit einem österreichischen Anwalt verheiratet. Sie spricht Deutsch auf einem wahnsinnig hohen Niveau. Die beiden Kinder werden zweisprachig erzogen. Sie erzählt, dass das zweite Kind die polnische Sprache vehement ablehnt, wohingegen das erste Kind sehr gerne Polnisch spricht. Das zweite Kind versteht zwar alles, was die Mutter ihm auf Polnisch sagt, aber es antwortet auf Deutsch. Eine weitere Kollegin aus Rumänien, die ebenfalls perfekt Deutsch spricht, bestätigt diese Tatsache – auch ihr erstes Kind spricht sehr gerne Rumänisch, das zweite Kind lehnt es ab, in der zweiten Muttersprache zu sprechen. Die Kinder sind jedoch noch im Kindergartenalter, und die Mütter hoffen, dass sich dieser Umstand im Laufe der Zeit ändert. Eine aus Russland stammende Kollegin berichtet, dass ihre Kinder beide die zweite Muttersprache ablehnen und auch auf eine Art verachten: Als das erste Kind den Kindergarten besuchte, hat es anfangs manchmal versucht, mit den anderen Kindern auf Russisch zu sprechen, worauf diese Kinder es ausgelacht und gehänselt haben. Daraufhin hat die Mutter beschlossen, eine Weile kein Russisch mehr mit ihrem Kind zu sprechen – und seither verweigert das Kind Russisch und verlangt, dass die Mutter eine „normale Sprache“ (Deutsch) mit ihm spricht. Die Mutter bereut heute ihre Entscheidung sehr, sozusagen aufgegeben zu haben, und sie rät jedem, stark und positiv zu bleiben.

Auf diese Erzählung hinauf haben wir besprochen, dass das Umfeld ebenfalls einen gewissen Einfluss darauf hat, wie schwierig oder einfach es ist, ein Kind zweisprachig zu erziehen. Die drei Kolleginnen haben jeweils die Erfahrungen gemacht, dass ihre Muttersprachen hier in Österreich eher als „schlechte Sprachen“ empfunden werden, wohingegen es als ganz toll gilt, wenn Kinder Englisch, Französisch, Mandarin oder Spanisch als zweite Muttersprache haben.

Je weniger die zweite Muttersprache vom Umfeld akzeptiert wird, desto härter ist es für die Eltern, die Kinder zu überzeugen, dass es sich sehr wohl um eine „gute Sprache“ handelt, die zu sprechen es sich lohnt. Die Großeltern oder andere Kontakte zu Muttersprachlern können hier eine beachtliche Rolle spielen. Was ganz deutlich aus dem Gespräch hervorging: Es ist auf keinen Fall so, dass die Zweisprachigkeit „so nebenbei“ erreicht werden kann! Die Kinder müssen ausreichend Impulse in beiden Sprachen erhalten, und sobald das Schulalter erreicht ist, muss darauf geachtet werden, dass auch die zweite Sprache – die ja in der Regel in den Schulen nicht gelehrt wird – ebenso trainiert wird. Und das Ganze sollte natürlich auf eine Art passieren, die den Kindern Spaß macht! Eine ziemlich große Herausforderung, das steht fest!

Ebenso wurde mir im Rahmen dieses Gesprächs ein Buch empfohlen. Allerdings wusste die Kollegin den Namen nicht mehr so genau – irgendetwas mit Mehrsprachigkeit, und ein/e italienische/r Autor/in. Ich muss dazu noch weiter recherchieren, denn die Kollegin meinte, dass es in diesem Buch erstens auch eine Vielzahl an praktischen Tipps gibt, und zweitens auch zum Beispiel daraus hervorgeht, dass Kinder in einem gewissen Alter die Passivkonstruktionen noch nicht können, auch die muttersprachlichen nicht. Diese und ähnliche Informationen haben dieser Kollegin ziemlich geholfen, da sie manchmal einfach Bedenken hatte, ob ihre Kinder in beiden Sprachen wirklich muttersprachliches Niveau erreichen werden.

Der kleine Prinz ist von diesen Stadien noch weit entfernt, jedoch wird uns immer stärker bewusst, dass viel Konsequenz und auch einiges an Aufwand auf uns wartet …

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